Hallo Herr Permantier,
vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, uns ein paar Fragen zu beantworten. Ich selbst beschäftige mich bereits seit mehr als 25 Jahren mit hirngerechter Führung. Es ist meine Mission dafür zu sorgen, dass mehr und mehr Menschen selbst an einem verregneten Montagmorgen mit einem Lächeln zur Arbeit gehen. Ich durfte eine ganze Menge interessanter Leute und Unternehmen kennenlernen und dabei wurde mir auch immer wieder bewusst, wie wichtig es ist Werte zu haben, zu kommunizieren und zu leben – als Individuum und als Gemeinschaft.
Sie haben sich ebenfalls sehr intensiv mit dem Thema „Werte“ auseinandergesetzt. Können Sie mir kurz beschreiben, wie es dazu kam? Gab es einen direkten Anstoß oder eine Erfahrung?
Martin:
Mit meiner Agentur SHORT CUTS helfen wir Unternehmen bei der Entwicklung ihrer Markenidentität in den Bereichen Corporate Design, Corporate Communication und Corporate Culture. Früher spielte der Aspekt der Unternehmenskultur weder bei uns noch bei unseren Auftraggebern eine große strategische Rolle. Durch den Fachkräftemangel und die Veränderungen der Bedürfnisse von jungen Menschen, ist die Unternehmenskultur der entscheidende Faktor für Arbeitgeberattraktivität geworden.
Wie wichtig ein auf Werten beruhendes gemeinsames Führungsverständnis ist, wurde mir klar als wir auf über 25 Mitarbeiter gewachsen sind und wir eine zweite Führungsebene etabliert haben. Das hat dazu geführt uns selber eindeutiger zu positionieren und unsere Werte zum Thema zu machen. Für uns war das ein 4-monatiger Prozess mit 6 Workshops. Am Ende haben erfolgreich beim Arbeitgeberwettbewerb Great Place to Work mitgemacht. Diese Erfahrungen sind in unsere Kundenprojekte eingeflossen und so haben wir eine strategische Methode entwickelt, die sich Wertekommunikation nennt.
Saleh:
Sind Sie der Meinung jedes Unternehmen sollte die eigenen Werte definieren?
Martin:
Definieren ist das eine. Leben das andere. Wenn wir bei Unternehmen sind, frage ich gerne, ob sie Werte definiert haben. Das wird öfters bejaht. Dann kommt die zweite Frage, „Wie lauten denn diese Werte?“ In 80% der Fälle können die Mitarbeiter diese nicht aufzählen. Meist sind es zu viele und tendenziell inhaltslose Hygienewerte wie Qualität, Zuverlässigkeit, Partnerschaft, Flexibilität, Leistung, Kompetenz, Nachhaltigkeit, Sicherheit, Innovation und Tradition.
Hat ein Unternehmen jedoch die Werte gemeinsam mit den Mitarbeitern entwickelt und füllt diese regelmäßig mit Leben, dann sind Werte wie eine zusätzliche Führungskraft. Sie entscheiden mit und geben Orientierung.
Auch wenn ein Unternehmen seine Werte nicht explizit formuliert hat, werden wir ihm unterbewusst eine Werteposition zuschreiben. So kann man ein beliebiges Mitbewerberfeld nach seiner jeweiligen Wertepositionierung differenzieren.
Saleh:
Wie können Unternehmen die eigenen Werte finden? Und wie können Sie am besten kommuniziert werden?
Martin:
Ich frage gerne Unternehmer, „Was ist der Zweck ihres Unternehmens?“ Manche schauen mich verwundert an und sagen, „Blöde Frage, Geld verdienen natürlich, was denn sonst.“ Andere wollen primäre ein Bedürfnis ihre Kunden optimal erfüllen und stellen das in den Mittelpunkt. Wieder andere sagen, „Nur wenn ich gutes Umfeld für Mitarbeiter haben, leisten die gute Arbeit für die Kunden und dann verdiene ich auch Geld. Für den Nächsten ist sein „Warum“ die sinngebende Motivation zu einer Unternehmensgründung. Das heißt, wir schauen erstmal, wo steht die Organisation in ihrem Selbstverständnis.
Oft beschließt die Führungsriege die Werte. Wie ein Manager zu mir sagte, „Dann lassen Sie uns heute einen Haken an die Werte machen, dann werden die kommuniziert und dann soll sich aber auch jeder dran halten.“ Das ist eine etwas unreflektierte, optimistische Vorstellung, wie das funktionieren kann.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es nicht über Appelle geht, sondern über gemeinsame Erfahrungen. Wir raten zu gemeinsamen Workshops mit möglichst vielen Mitarbeitern, wo die gelebte Wirklichkeit und die vorhandenen positiven Erfahrungen zum Thema gemacht werden. Das geschieht über Interviewformate, in denen Erfolgsgeschichten zum Thema gemacht werden und dann geschaut wird, welche Werte dabei erlebt wurden. Diese Werte werden dann in einem sogenannte Wertetarget veranschaulicht und geclustert. Meistens reichen am Ende drei Wertefelder.
Ein Unternehmer gab mir mal den Tipp, bei jedem Meeting, egal worum es geht, kommt als erstes eine Folie mit der Vision und als zweites eine mit den Werten. Wenn wir die Werte zum Thema machen und unser Verhalten an ihnen spiegeln und ausrichten, stärken wir unser Werteverständnis. Insbesondere sollten sie Teil von Einstellungsgesprächen, Entwicklungsgesprächen und den Zielsetzungen sein.
Saleh:
Was ist, wenn nicht jeder Mitarbeiter hinter den Unternehmenswerten steht? Ich will mir schließlich meine persönlichen Werte nicht vorschreiben lassen.
Martin:
Im Idealfall hat man die Werte im Konsens gefunden oder sich für einen Arbeitgeber entschlossen, weil dieser eine bestimmte Haltung vertritt. Passen die Unternehmenswerte und die Werte der Mitarbeiter überhaupt nicht zusammen, passen die beiden auch meist nicht zusammen. Wem Kooperation und Offenheit wichtig ist, der wird nicht lange in einem Unternehmen tätig sein, das auf Konkurrenz und Bonisysteme setzt.
Hat ein Unternehmen Werte definiert, braucht es emotionale Referenzerlebnisse bei denen diese Werte erlebt werden. Das können Teamevents sein, aber auch neue Formen der Zusammenarbeit oder neue Meetingformate. Klaffen Werteappell und Wirklichkeit auseinander, reagieren wir meist mit Zynismus. Wichtig ist, dass die Führung selber hinter den Werten steht und sich auch daran messen lässt.
Saleh:
Welchen Einfluss hat die digitale Transformation in der Arbeitswelt Ihrer Meinung nach auf die Kommunikation in Unternehmen?
Martin:
Neulich habe ich dazu zwei Videos gezeigt. Eines zeigte eine große Funkband aus den 70er Jahre mit ca. 10 Musikern. Die Trompeter mussten nur alle paar Sekunden 2-3 Töne spielen und der Bassist seine 8 Noten. Alles überschaubar und arbeitsteilig.
Das zweite Video zeigte Marc Rebellit, der mit Hilfe von Computerprogrammen, alle Instrumente selber einspielt und als One-Man-Show eine komplette Funkband verkörpert.
Wir haben heute Dank der Digitalisierung gigantische kreative Freiheit. Aber die Komplexität und die Anforderungen an den Einzelnen sind gleichzeitig gestiegen. Anstatt einzelne Personen in lineare Prozesse optimiert einzubinden, geht es heute darum, verteilte Intelligenzzentren miteinander zu verbinden. Schnittstellenmanagement ist wichtiger denn je. Als Führungskraft bin ich nicht mehr der Wissende, sondern der Verbindende. Führen heißt Kommunizieren. 85% aller Problem sind kommunikativer Art und lassen sich zum Glück durch verbesserte Kommunikation lösen. Die meisten Probleme dieser können ohne monetäre Investition gelöst werden. Sie brauchen ein Invest an Gegenwärtigkeit und die Bereitschaft alte Muster zu verlassen. In dem Sinne ist New Work eine neue Art der Kommunikation.
Saleh:
Sie haben kürzlich ein Buch veröffentlicht. Beschreiben Sie uns doch kurz gern, worum es in „Haltung entscheidet“ geht.
Martin:
Bei unserer Arbeit in Unternehmen mit Werten haben wir gemerkt, dass es neben den Werten noch eine andere Dimension braucht, um ein gemeinsames Führungsverständnis zu entwickeln.
Während für den einen Erfolg daran besteht „Ziele zu erreichen“, sieht der andere Erfolg darin „mit sich und der Welt verbunden sein, sein Leben entspannt zu leben und seinen Weg zu gehen“. Beides ist richtig und eine Frage der inneren Haltung.
Man spricht von der horizontalen Entwicklung, die mit dem Erwerb von Kompetenzen einhergeht und der vertikalen Entwicklung, die unsere Reifung beschreibt. Grundlage für unser Modell der Haltungen sind die Forschungen der Entwicklungspsychologin Jane Loevinger. Sie beschreibt, wie wir in unterschiedlichen Reifungsphasen unsere Realität immer wieder neu konstruieren und lernen die Welt in größerer Komplexität zu begreifen. Bei Kindern ist das jedem geläufig und einsichtig. Bei Erwachsenen scheuen wir diesen Blick, obwohl auch hier Reifeunterschiede und weniger komplexe Denkweisen recht offensichtlich sind.
Das Buch bietet durch die viele Grafiken anschauliche Beispiele zu dem Modell der 6 Haltungen. Die Kenntnis der Haltung schult sehr schnell die Selbstbeobachtungsgabe und verändert schon viel. Reife Haltung müssen geübt werden. Unreife der Führung und niederkomplexes Denken gehören zu den größten Hindernissen bei der Modernisierung von Organisation.
Zur Weiterentwicklung einer Organisation gehören die Selbstentwicklung der Führung, Teamentwicklung und die Werteentwicklung.
Haltung entscheidet: Führung & Unternehmenskultur zukunftsfähig gestalten
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Saleh:
Vielen Dank für das Interview, Herr Permantier. Ich freue mich sehr, mit Ihnen als Kollegen Unternehmen zukunftsfähiger und Mitarbeiter zufriedener machen zu können. Lassen Sie es uns anpacken!
Martin Permantier – www.martin-permantier.de